Der Rote Max aus Oberbayern

„Es begann in Altötting“ ist die Autobiographie des Hagalil-Autors Max Brym. Es erzählt von seiner Kindheit als Sohn eines jüdischen Vaters und KZ-Überlebenden im erzkatholischen Altötting und seinem Aufwachsen in Waldkraiburg, einer von ‚Vertriebenen‘ gegründeten Stadt im Chemiedreieck Oberbayerns.

Der junge Brym wird Sozialist, später nennt er sich Marxist-Leninist, dann Trotzkist und das alles in einem Landstrich, den man sonst nur als Hintergrundfoto von CSU-Wahlplakaten kennt.  Das führt natürlich zu so manch grotesker Situation. In einem der amüsantesten Kapitel des Buches erzählt Brym von einem ortsansässigen CSU-Politiker, der gegen Quittung für seinen Lebensunterhalt sorgte. Der Grund scheint zumindest aus heutiger Perspektive wahnsinnig: Der „rote Max“ sollte sich bei einer Invasion der Sowjetunion in Waldkraiburg für den Kommunalpolitiker verbürgen. Dass Brym in seinem Buch die Namen der damaligen politischen Kontrahenten nennt, sorgt auch jetzt noch für Aufsehen in der beschaulichen Provinz. Einer Buchvorstellung Bryms in Waldkraiburg wurde kurzfristig der Veranstaltungsort entzogen. Die Angst vor Max, dem ‚Nestbeschmutzer‘, hält bis heute an. Generell liegt die Stärke der Erzählung in der Darstellung vergangener politischer Konstellationen. So kann man sich heute schwer vorstellen, welche Dimensionen eine außerparlamentarische Linke auf dem flachen bayerischen Land hatte.

Sein Leben führte Max Brym nach Ost-Berlin, in den Kosovo und schließlich nach München. Die Erzählung endet in der Gegenwart, wo Max Brym als Philosophiedozent an der Universität in Priština und Linksaußen der Münchner Linkspartei immer noch für Aufsehen sorgt.  Die Nonchalance, mit der Brym aus seinem erlebnisreichen Leben berichtet, macht es dem Leser dabei leicht mit dem Autor zu sympathisieren. Eine Fremdbeschreibung seiner Person, die Brym so passend findet, dass er sie in sein Buch mit aufnahm lautet wie folgt: „Brym ist ein alter Rock‘nRoller, ein Typ der Generation Fischer/Schröder, ein Macho eben, ein Lebemann, ein Politiker, der eine Lederjacke hat, der auf Wortspiele steht, der sich einer Sprache bedient, die einmal jugendlich war, als er noch jugendlich war, sowie er einen Jargon konserviert, wie ihn sozialistische Gruppen in den 70ern pflegten. […] Trotzdem (oder weil) Bryms Vorstellungen von politischem Engagement teilweise dem Revolutionsmuseum entliehen zu sein scheinen, lässt sich zu Bryms Kandidatur abschließend sagen, hätte es mit ihm als Kreissprecher der Linkspartei München zumindest heiter werden können“ (S.150).

Seine jüdische Herkunft war für ihn nie so ein großes Thema wie für seine Kontrahenten und Feinde. Diese – ob links oder rechts – konfrontierten Brym immer wieder mit antisemitischen Stereotypen. Politisch zog er daraus Konsequenzen und wendete sich innerhalb der gemäßigten wie radikalen Linken immer wieder gegen Judenhass. Nichtsdestotrotz, Brym wird wohl auch an diesem Wochenende Seite an Seite mit den ganz großen AntisemitInnen des deutschen Bundestages gegen die Münchner Sicherheitskonferenz demonstrieren. Eine stärkere Reflexion über die Frage, wie gerade in – sich als progressiv verstehenden – Strömungen das Ressentiment gegen Juden eine solche Akzeptanz erfahren kann, hätte auch dem Buch nicht geschadet.

Traurig ist das Lektorat des Buches. Oftmals fehlen einzelne Buchstaben, Verben doppeln sich in einem Satz, zum Teil wiederholen sich ganze Sätze und gegen Ende kommt es sogar vor, dass Überschriften nicht als solche formatiert sind, was das Leseerlebnis doch erheblich trübt. Weil Herr Brym uns wohl das Klassenbewusstsein absprechen würde fragen wir etwas kleinlaut: Kann es sein, dass die mindere Qualität des Endprodukts eine Folge des branchenüblichen Outsourcings des Lektorats ist und mit der damit einhergehenden schlechten Bezahlung freier Lektoren zu tun hat?

von Alf Philips

MAX BRYM – ES BEGANN IN ALTÖTTING

Swb-Verlag 2015, 166 Seiten, 11,80 €.

One thought on “Der Rote Max aus Oberbayern”

  1. Danke für die Rezension. Zum Lektorat: Ich bin selber mit dem Lektorat etwas unzufrieden. Die von euch genannten Gründe treffen zu. In der anstehenden Zweitauflage wird dies behoben. Allerdings fallen die Lektoratsfehler nur 2 von 10 Lesern auf. Letzteres trifft auch auf die Münchner “ Abendzeitung“ zu. Personal wurde entlassen und die verbliebenen Redakteure arbeiten unter enormen Zeitdruck.
    Viele Grüße Max Brym

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